Zucker, Cholesterin und Herzinfarkt

Es gab eine Zeit, da glaubte ich, dass es dem Körper egal sei, woher er seine Energie bezieht. Und dass Kalorien zählen einen Sinn ergeben könnte. So nach dem Motto: Eine Kalorie ist eine Kalorie. Dann hatte ich das Glück, einen unheimlich engagierten Arzt kennen zu lernen, der auch heute im Alter von 72 Jahren immernoch daran arbeitet, die Welt ein bisschen besser zu machen. Und von ihm habe ich gelernt, dass es sehr wohl darauf ankommt, welche Nahrung man dem Körper gibt und dass eine Kalorie eben nicht eine Kalorie ist. Daraufhin hat sich vieles in meinem Leben geändert. Vielen Dank, lieber Dr. Ulrich Strunz. Ich hoffe, dass Ihre Gabe, Menschen zu beeinflussen und ihr Leben zu verbessern, noch vielen Menschen helfen wird. Nur was hat das jetzt mit Ihnen, lieber Leser, zu tun?

Als Zahnarzt beschäftige ich mich zwangsläufig mit dem Thema Zucker, weil er ja in der Mundhöhle sehr ungünstige Wirkungen haben kann. Es ist immer wieder dramatisch zu sehen, wenn Zähne wie morsche Baumstämme kaputt gehen, weil sie durch den Verzehr von Kohlenhydraten und der nachfolgenden Säurewirkung zerfressen worden sind. Aber darüber hinaus entfaltet Zucker ja auch im Körper seine Wirkung, nur dass man es nicht so direkt sehen kann.

Nun gibt es allerdings verschiedene Sorten von Zucker, die im Körper auch völlig unterschiedlich verarbeitet werden. Und das hat dramatisch unterschiedliche Wirkungen zur Folge. Und das Wissen darum kann den Unterschied bedeuten zwischen einem langen Leben und einem frühen Ende. Lassen Sie mich dazu drei Quellen zitieren und die Ergebnisse zusammenbringen.

Es gibt einen Zusammenhang zwischen dem Cholesterin in Ihrem Blut und Ihrem Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden. Soweit den meisten bekannt. Es ist jedoch nicht so, dass beim Cholesterin grundsätzlich gilt: je höher, umso schlimmer. Sie können auch mit moderatem Cholesterin sehr stark gefährdet sein. Da spielen nämlich noch andere Dinge eine Rolle, wie z.B. das Verhältnis zwischen grossen und kleinen Fettpartikeln im Blut. Aber es gibt einen praktisch sicheren Bereich. Der wurde in der Framingham Heart Study (z.Z. etwa 67.000 Teilnehmer) über Jahrzehnte untersucht und bewiesen. Und der liegt bei Cholesterin unter 150 mg/dl. Das heisst, wenn Ihr Cholesterinspiegel unter diesem Wert liegt, ist es nahezu unmöglich, dass Sie einen Herzinfarkt erleiden. Bei 200 Herzinfarkt-Toten in Deutschland pro Tag wäre das doch mal ein Ansatz zum Handeln, oder?

Die DGE empfiehlt übrigens ein Gesamtcholesterin unter 200mg/dl. Die Kollegen haben wohl übersehen, dass 35% der Herzinfarkte bei Menschen mit Cholesterin zwischen 150 und 200 mg/dl auftreten. Naja, kann ja mal passieren…das betrifft ja dann nur 70 Tote pro Tag.

Also hätte ich gern Cholesterin unter 150. Nicht etwa unter 200. Aber wie geht das? Dazu schauen Sie sich, wenn Sie Zeit und Muße haben, dieses Youtube-Video von Prof. Lustig aus Kalifornien an. Darin geht es um den Zuckerstoffwechsel von Glukose und Fruktose. Zusammengefasst kann man sagen, dass sich Glukose (also Kartoffeln) und Fruktose (also Fruchtsäfte, Softdrinks und zu 50% Haushaltszucker) völlig unterschiedlich im Stoffwechsel verhalten. Während Glukose in sämtlichen Körperzellen verbrannt werden kann, wird Fruktose ausschließlich in der Leber verarbeitet. Und, leider leider, direkt zu über 30% in Fett umgewandelt. Eine low-fat-Diät mit viel Obst (also Fruktose) und zuckerhaltigen Nahrungsmitteln ist also in Wirklichkeit eine high-fat-Diät.

Wenn Sie Glukose essen, wird erstmal nur ein Bruchteil davon in Fett umgewandelt, weil das Zeug einfach im Körper „versickert“ und verbrannt werden kann. Das bedeutet jetzt nicht, dass Sie unbegrenzt Kartoffeln essen können, ohne zuzunehmen, denn wenn Ihre Glykogenspeicher voll sind, wird auch Glukose in Fett umgewandelt. Aber wenn Sie Fruktose essen, wird es sofort und in deutlich höherem Anteil in Fett (VLDL) umgewandelt. Und das können Sie dann im Blut messen.

Auch dieser Zusammenhang ist nicht neu. Dazu möchte ich Ihnen eine Studie aus dem Jahre 1970 (!) vorstellen. Damals wurden Gefangene (mit denen kann man das ja machen) über einen Zeitraum von 19 Wochen mit exakt bestimmten Nahrungsbestandteilen ernährt und nach jeder Woche wurde Blut abgenommen und unter anderem auch das Gesamtcholesterin bestimmt. Und jetzt halten Sie sich fest: Die Gefangenen bekamen als Energielieferant im Schnitt pro Tag knapp 600g Glukose. Das entspricht rund 4kg Kartoffeln! Und jetzt ist folgendes passiert: Während der ersten vier Wochen dieser Zwangsernährung (es wurde streng kontrolliert) sank der durchschnittliche Cholesterinwert der Gefangenen von anfänglich 227 auf 160 mg/dl. Wie kann das denn sein? Na, vielleicht haben sie den Zucker ja verbrannt, bevor er in Fett umgewandelt werden konnte? Selbstverständlich haben die Gefangenen ein umfangreiches Sportprogramm absolviert. Wieviel genau, wird nicht beschrieben, aber bewegt haben sie sich offenbar. So ein Gefangener wird wohl auch nicht den ganzen Tag rumsitzen, so wie ich und vielleicht auch Sie.

Aber jetzt kommt erst die wahre Entdeckung. Nach vier Wochen wurde ein Viertel der Glukose durch Saccharose (also Haushaltszucker) ausgetauscht. Saccharose enthält 50% Glukose und 50% Fruktose. Also bekamen die Gefangenen jetzt ein Achtel ihres Zuckers in Form von Fruktose. So etwa 75g täglich. Das entspricht einem guten halben Liter Apfelsaft. Und dann passierte folgendes: Der durchschnittliche Cholesterinspiegel stieg in den folgenden drei Wochen von 160 auf 208 mg/dl. Damit hatten die Untersucher nicht gerechnet. Und tatsächlich war der Zuckeraustausch die einzige Änderung in der Diät. Es konnte also kein Fleisch oder Fisch als Ursache herhalten. Und dann haben die Untersucher das tatsächlich wieder rückgängig gemacht und die Fruktose wieder weggelassen und durch Glukose ersetzt. Ergebnis: Nach weiteren 12 Wochen ein durchschnittliches Gesamtcholesterin von

151 mg/dl. 

Wohlgemerkt, mit einer durchschnittlichen „westlichen“ Ernährung hatten sie 227 mg/dl Cholesterin. Nach der fruktosefreien Diät waren Sie plötzlich im sicheren Bereich. Keine Angst mehr vor Herzinfarkt.

Das bedeutet im Umkehrschluss, wenn Sie in kurzer Zeit möglichst viel zunehmen und ihr Cholesterin erhöhen wollen, müssen Sie nur Ihren Fruktoseverzehr drastisch erhöhen. Am besten trinken Sie Fruchtsäfte bis zum Anschlag und essen dazu Lightprodukte, bei denen das Fett durch Zucker ersetzt wurde. Dazu noch Bananen und Weintrauben, und dann bekommen Sie neben der Fettleibigkeit möglicherweise noch folgende Nettigkeiten kostenlos dazu:

Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörung, Insulinresistenz, Fettleber, erhöhte Harnsäure (also Gicht), Bauchspeicheldrüsenentzündung und am Ende den Herzinfarkt.

Und dann gibt es noch eine weitere Gemeinheit. „Netterweise“ hat die Natur es so eingerichtet, dass Alkohol ein Abkömmling der Fruktose ist und dieselben Wirkungen im Stoffwechsel entfaltet. Plus den Rausch natürlich. Na Prost Mahlzeit. 95% der Deutschen trinken regelmäßig Alkohol.

Was kann man daraus lernen?

  1. Zucker ist nicht gleich Zucker
  2. Fruktose in den heute üblichen Mengen ist ein chronisches Gift (Alkohol natürlich ebenso)
  3. Wenn Sie keine Lust mehr haben, sich Gedanken über Ihr Herzinfarktrisiko zu machen, dann könnten Sie Fruktose und Alkohol weglassen und die Wissenschaft so für sich nutzen.

Ich bin ja ein großer Fan davon, solche Dinge auszutesten. Wenn Sie also tatsächlich zu denen gehören, die neugierig geworden sind, dann schlage ich Folgendes vor: Sie lassen morgen Ihren Cholesterinspiegel bestimmen. Dann essen Sie die nächsten vier Wochen keine mit Zucker gesüssten Speisen und trinken keine Fruchtsäfte und keinen Alkohol. Und in vier Wochen lassen Sie Ihr Cholesterin wieder messen und schicken mir das Ergebnis. Ich werde bei ausreichender Fallzahl die Durchschnittswerte veröffentlichen und somit können wir alle zusammen dazu beitragen, diesen „Fehler“ in unserer Ernährung zu erkennen und zu beseitigen.

Was halten Sie davon? Machen Sie mit! Es könnte Ihnen wahrlich Schlimmeres passieren als Cholesterin unter 150 mg/dl.

Achja, und teilen Sie bitte diesen Beitrag, damit möglichst viele Menschen mitmachen!

Quelle: Studies in metabolic nutrition employing chemically defined diets. Am J Clin Nutr. 1970 May;23(5):525-45.

 

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